Am 12. Januar 2019 war Friends of Ruanda Teil der Neujahrsbegegnung in Bad Boll. Hier werden Menschen und Vereine, die besondere Dienste für die Gemeinschaft leisten, gewürdigt. Im Rahmen dieser Veranstaltung hielt der dem Verein nahe stehende Bad Boller Bürger Jobst Kraus eine Laudatio auf Friends of Ruanda. Jobst Kraus leitete früher das Umweltresort der Evangelischen Akademie Bad Boll. Hier eine Abschrift seiner Laudatio. 

Liebe Festgäste, liebe Bad Boller Bürgerinnen und Bürger,

Ich freue mich, dass ich als Bewunderer von Friends of Ruanda Ihnen heute diese tolle Initiative vorstellen darf.

Bevor ich zu den „Friends“ komme, möchte ich Ihnen Ruanda nahebringen. Ich möchte Ihren Blick auf ein Land in etwa 6.000 km Entfernung lenken. Der Wegweiser an der Rathauswiese zeigt es an „Kigali 5.970 km“ (Kigali ist mit 750.000 Einwohnern die Hauptstadt).

Ruanda ist ein Binnenstaat etwas südlich des Äquators in Ostafrika. Es grenzt an Burundi, die Demokratische Republik Kongo, Uganda und Tansania. Wegen seiner hügeligen Landschaft wird Ruanda auch „Land der tausend Hügel“ genannt. Von 1884 bis 1916 war Ruanda als Teil Deutsch-Ostafrikas eine deutsche Kolonie. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde es Belgisch- Kongo. 1962 erfolgte die Unabhängigkeit. Ruanda ist eines der kleinsten Länder in Afrika, von der Fläche nicht ganz so groß wie Baden-Württemberg, hat aber mit über 13 Mio. Einwohner mehr als unser Bundesland. Mit 463 Einwohner pro km² gehört es zu den am dichtest besiedelten Ländern der Erde. Während das Nachbarland Burundi Partnerland von Baden-Württemberg ist, ist Ruanda mit Rheinlandpfalz eng verbunden.

Bis zu dem Völkermord von 1994 mit fast einer Million Toten haben die Gruppen Hutu und Tutsi unter der afrikanischen Philosophie „Ubuntu“ mit wechselseitigem Respekt und dem Bestreben nach einer harmonischen und friedlichen Gesellschaft einvernehmlich zusammengelebt. Aus der Katastrophe haben die Eliten des Landes und Präsident Paul Kagame gelernt. Sie setzen nun auf Armutsbekämpfung und eine liberale, korruptionsarme Wirtschaft. Die Regierung setzt weitere Maßstäbe, nicht nur mit einer rasanten wirtschaftlichen Entwicklung, sondern auch mit Maßnahmen, die weltweit für Aufsehen erregen, wie dem Verbot der Einfuhr von gebrauchter Kleidung seit dem 1. Januar 2019, um den eigenen Markt für Textilien zu stärken oder dem Verbot von Plastik-Tüten. Bei letzterem können wir auch hier in Bad Boll „von Afrika lernen.“

Um die breite Öffentlichkeit zu gewinnen, greifen z.B. die Regierungsmitglieder auch praktisch zum Besen und fegen den Müll auf der Straße zusammen. Kennzeichnend für die ruandische Gesellschaft ist die ungewöhnlich hohe Teilhabe von Frauen an der wirtschaftlichen und politischen Macht. Im Entwicklungsindex der Geschlechter der Vereinten Nationen, der die Unterschiede im sozioökonomischen Entwicklungsstand von Frauen im Vergleich zu Männern misst, nahm Ruanda den Spitzenplatz unter allen Entwicklungsländern ein und erzielte sogar bessere Werte als Deutschland. Sicher gibt es in Ruanda, ähnlich wie neuerdings im Bad Boller Musikverein, auch eine Dirigentin.

Wir können in Ruanda erfahren und alltäglich sehen, was aus Ländern in Afrika werden kann, wenn sie ihre Chancen nutzen. Dabei müssen sie ihren eigenen Weg gehen. Das scheint Ruanda der Welt jetzt mehr als andere afrikanische Länder vorzuführen. Aber dazu braucht es auch die Hilfe zur Selbsthilfe.

Und diese wird seit 2006 von den Friends of Ruanda geleistet. Bestimmt haben Sie schon auf dem Weihnachtsmarkt den Stand der Initiative gesehen, deren Mitglieder gleich an den farbenfrohen Gewändern zu erkennen sind. Sie haben sie bei Festen in Bad Boll trommeln gehört oder sie haben selbst erlebt, wie im Juli 2016 zum zehnjährigen Bestehen des gemeinnützigen Vereins mit derzeit 64 Mitgliedern, die aus Berlin angereiste stellvertretende Botschafterin auf dem Kirchplatz geredet hat.

Ziel der Friends of Ruanda war es von Anfang an, Hilfe zur Selbsthilfe anzubieten. Vor Ort entwickelte Projekte sollen auf unbürokratische Art und Weise direkt und langfristig die Lebensbedingungen der Bevölkerung verbessern. Um dies zu gewährleisten arbeitet Friends of Ruanda e.V. eng mit seinen ruandischen Partnerorganisationen zusammen. Gemeinsam engagieren sie sich in der beruflichen Ausbildung von Jugendlichen, der ressourcenschonenden Trinkwasser- und Energieversorgung, der medizinischen Versorgung und Betreuung, der Organisation von Handwerksbetrieben. Beeindruckend ist es, die Liste von schon abgeschlossenen und noch laufenden Projekten zu lesen.
Das „Rubavu Technial College“ ist eine von Friends of Ruanda finanzierte Berufsfachschule im Nord-Westen Ruandas. Die Schule wurde 2013 eingeweiht und bildet junge Erwachsene in Gastronomie, Hotellerie und Tourismus aus, was auch die Förderung eines noch jungen Wirtschaftszweigs vorantreiben möchte. Die Schule hat aktuell 412 Lernende, wovon etwa 300 Schülerinnen und Schüler im angegliederten Internat leben

Besonders erwähnt werden muss, dass durch die Gründung des entwicklungspolitischen Freiwilligendienstes, dem sogenannten weltwärts-Programm im Jahr 2008 der Verein nun auch aus Bundesmitteln finanziell gefördert Freiwillige in Projekte nach Ruanda schicken kann. In den vergangenen zehn Jahren gelang es 42 junge Menschen für zwölf Monate in fünf verschiedene Projekte vor Ort einzubinden und somit die Beziehungen zwischen Ruanda und Deutschland zu stärken. Der Einsatz der Freiwilligen liegt zum einen in der Arbeit mit den Jugendlichen, aber auch in der Unterstützung der Lehrkräfte vor Ort.

Die Freiwilligen assistieren den Lehrer*innen in Fächern wie Sprachen (Englisch, Deutsch), IT und Sport. Einige von Ihnen werden den einen oder anderen Bad Boller Jugendlichen kennen, der in Ruanda als Freiwilliger war und oft mit weltwärts für den eigenen Berufsweg einschneidende Erfahrungen gemacht hat.

Vor einigen Jahren hatte ich Gelegenheit, im Rahmen eines Vorbereitungsseminars in einem Selbstversorgungshaus bei Bissingen die Freiwilligen zu erleben und war beeindruckt von der sorgfältigen Vorbereitung – auch im Bereich interkultureller Kommunikation.
Am 31. Dezember 2018 wurde die letzte Bewerbungsrunde abgeschlossen. Nach einer Vorbereitungszeit mit Einführungsseminaren geht es dann im August für die neuen Freiwilligen für zwölf Monate nach Ruanda. Freiwillige haben in der Vergangenheit auch ein Zentrum für Straßenkinder mit aufgebaut.

Damit ist die beeindruckende Liste des Engagements von friends of Ruanda noch längst nicht abgeschlossen. Es werden

  • Patenschaften vermittelt, die es Kindern ermöglichen Schulgeld oder Studiengeld zu bezahlen. Schon mit 50 € kann einem Kind der Schulbesuch für ein Jahr ermöglicht werden;
  • Mikrokredite finanziert, so dass eine Geschäftsidee, z.B. Schneidern oder Schreinern, realisiert werden kann – und die Kredite werden pünktlich zurückgezahlt;
  • Hospitationen vermittelt: die Küchenverantwortlichen im Bad Hotel Stauferland oder der Ev. Akademie werden sich noch an die Hospitation der Hotelfach- und Gastronomie- Lehrer in ihren Küchen erinnern, die der Verein vermittelt hat;
  • Firmen aus dem Landkreis GP gewonnen, mit deren Hilfe Solarteure ausgebildet werden konnte

Und für all dies hat Friends of Ruanda viel Spenden eingesammelt – oft „ertrommelt“.

Euer Engagement passt wunderbar zu Bad Boll als Fair Trade-Gemeinde, wie auch das Engagement anderer Bad Boller Einrichtungen, die praktische Entwicklungsarbeit leisten. Die Partnerschaftsarbeit von Friends of Ruanda und all den anderen Initiativen sind eine wichtige und notwendige Ergänzung des Fair Trade-Gedankens. Um ein gutes Leben für alle Menschen auf dieser Erde zu erreichen und damit Fluchtursachen zu reduzieren, braucht es nicht nur Friends of Ruanda, sondern Friends of the World. Es braucht Kommunen und ihre Bürgerinnen und Bürger, die die von der Weltgemeinschaft unterzeichnete Agenda 2030 umsetzen wollen und gemeinsame Weltverantwortung übernehmen, etwa für das Klima, die biologische Vielfalt, das Wasser und den Boden.

So ist Friends of Ruanda Vorbild und Ansporn, vom Reden zum Tun zu kommen oder wie es in Englisch auf der Internetseite des Rubavu – College heißt: „Well done is better than well said“ (Gut gehandelt ist besser als gut geredet).

Ein Verein ist immer nur so gut und erfolgreich, wie die, die in ihm sich engagieren. Deswegen sollen heute Sie – stellvertretend für alle Mitglieder – geehrt werden. Persönlich wünsche ich dem Verein, dass der derzeit erlebbare Schwung anhält und der Verein weiter Resonanz in Bad Boll findet.

Wir heißen heute das Neue Jahr heute willkommen. Mit „Willkommen“ in Deiner Heimatsprache, Eliphaz, will ich enden:

Murakaza neza.