Evelin Hermann verbrachte 2022/23 als weltwärts-Freiwillige mit Friends of Ruanda ein Jahr in Ruanda. Hier schreibt Evelin über ihre Erfahrungen und Projekte während des Freiwilligendienstes.
Ich bin Evelin, 19 Jahre alt und mache zur Zeit einen Freiwilligendienst in Ruanda. Nachdem ich mit der Schule fertig war, wollte ich gerne ins Ausland, um mehr von der Welt zu sehen, neue Menschen, Kulturen und Lebensweisen kennenzulernen und um Abstand von meinem
Alltag und Lebensstandard in Deutschland zu bekommen. Als ich mich über Möglichkeiten, längere Zeit im Ausland zu verbringen, informiert habe, bin ich auf den Bad Boller Verein Friends of Ruanda gestoßen, der im Rahmen des Freiwilligendienstes weltwärts Freiwillige nach Ruanda entsendet.
Weltwärts ist ein Programm des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ), das jungen Menschen ermöglicht, im Rahmen eines mehrmonatigen (meistens einjährigen), entwicklungspolitischen Freiwilligendienstes Erfahrungen in Ländern des globalen Südens zu sammeln. Nachdem ich mich mit dem Konzept des Freiwilligendienstes, dem Land Ruanda und den Projekten, die dort zur Auswahl standen, auseinandergesetzt habe, habe ich mich auf mein Bauchgefühl verlassen und mich beworben.
Inzwischen bin ich seit anderthalb Jahren hier, habe unglaublich viele Erfahrungen sammeln können und habe es keine Sekunde bereut, dass ich mich dazu entschieden habe, diesen Schritt zu wagen.
Zur Zeit arbeite ich in zwei verschiedenen Projekten: Love and Care – Jyambere Mwana und Charis Home Foundation.
Love and Care – Jyambere Mwana ist eine Frauenkooperative für Mütter von Kindern mit Behinderungen. Zum Projekt gehört auch eine inklusive Vorschulklasse für Kinder mit und ohne Behinderungen. Außerdem wird sowohl in unserem Center, als auch bei Hausbesuchen, Physiotherapie für die Kinder mit Behinderungen angeboten. Als Freiwillige kann ich mich vor allem im Unterricht der Vorschulklasse, aber auch bei den Hausbesuchen und der Physiotherapie einbringen.
Außerdem habe ich mein eigenes kleines Projekt umsetzen können: Viele der Kinder mit Behinderungen müssen gewickelt werden, die Familien können sich aber keine Windeln leisten und wickeln ihre Kinder deshalb oft in Stoff- und Plastik-Fetzen. Das stellt für die Kinder oft ein gesundheitliches Problem dar. Deshalb habe ich mich dazu entschieden, ein Stoffwindel-Projekt umzusetzen. Idee meines Projekts war es, den Familien wiederverwendbare Stoffwindeln zur Verfügung zu stellen, damit die Kinder hygienisch gewickelt werden können, ohne dass für die Familien zusätzliche Kosten entstehen. Dazu habe ich Windelhersteller aus Deutschland um Windelspenden gebeten.
Zwei der Windelhersteller haben zugesagt und so haben wir ausreichend Windeln bekommen. Als diese dann in Ruanda angekommen sind, haben wir ein kleines Seminar veranstaltet, bei dem wir die Familien ins Center eingeladen haben, die Stoffwindeln verteilt
haben und ich die Verwendung und Reinigung erklärt habe. Die Familien haben die Windeln dankbar angenommen und direkt gegen die alten Windeln ausgetauscht. Ich freue mich sehr, dass ich für diese Kinder und Familien, auch wenn es nur ein Tropfen auf den heißen
Stein ist, eine kleine Veränderung erreichen konnte.
Charis Home Foundation, das andere Projekt, in dem ich einmal die Woche arbeite, richtet sich an ehemalige Straßenkinder und Kinder aus prekären Verhältnissen. Ziel des Projektes ist es, die Kinder wieder in ihre Familien einzugliedern und ihnen eine gute Schulbildung zu
ermöglichen. Da die Kinder unter der Woche die Schule besuchen, findet das Projekt nur samstags statt. Die Kinder bekommen Frühstück und eine warme Mahlzeit zum Mittagessen und haben die Möglichkeit, sich beim Kunst-, Tanz- und Akrobatikunterricht auszuprobieren.
Außerdem werden Probleme, die es eventuell in der Schule oder Zuhause gibt, besprochen. Charis Home Foundation unterstützt zusätzlich die Familien dabei, die Schulgebühren und Materialien zu bezahlen sowie eine Krankenversicherung abzuschließen. Zum Projekt
gehört außerdem eine Gruppe junger Frauen, die teilweise sehr früh und ungeplant Mütter geworden sind. Die Frauen haben zusammen eine kleine Ausbildung als Friseurinnen gemacht und versuchen nun mit diesen Fähigkeiten sowie mit anderen kleinen Bussinesideen, wie zum Beispiel das Verkaufen von Zuckerrohr, Gemüse, Früchten, Schuhen oder selbstgemachten Körben, etwas Geld für sich und ihre Kinder zu verdienen. Außerdem haben wir ein kleines Seminar zu Themen wie sexueller Aufklärung, Familienplanung etc. geplant.
Auch außerhalb meiner Projekte erlebe ich viel in Ruanda, lerne immer wieder neue Menschen kennen und entwickle mich persönlich in vielerlei Hinsicht weiter. In meiner Freizeit unternehme ich viel in und um Gisenyi, der Stadt, in der ich zur Zeit wohne, gehe im
Kivusee schwimmen, Fahrrad fahren oder wandern, treffe mich mit Freunden oder gehe abends weg. Das Wochenende verbringe ich gelegentlich auch in der Hauptstadt Kigali, um dort Freunde zu treffen und andere Dinge zu unternehmen. Außerdem hatte ich die Chance, einige der umliegenden Länder zu bereisen.
Mein Freiwilligendienst ist in wenigen Wochen vorbei und ich blicke auf 18 Monate zurück, die mich in vieler Hinsicht geprägt und
verändert haben. Ich bin in diesen anderthalb Jahren an Herausforderung gewachsen und konnte unglaublich viele Erfahrungen sammeln.
Der Artikel ist in leicht abgeänderter Form erschienen in der 20. Ausgabe des Magazins „Gute Zeit“ der Stiftung Tragwerk, das hier heruntergeladen werden kann.